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2017

Keramik

Rede zur Einweihung der "Katze" im April 2017

“Es war die Zeit der “Neuen Rede”, meinte der Panther sehr demütig.
“Vielleicht, Kleiner Bruder, riefst du ihn damals nicht mit einem Meisterwort. Lausche dem Lied Feraos und freue dich.” Der Panther legte sich abermals nieder, aber mit einem Seufzer, denn er hörte Ferao das Lied der “Neuen Rede” für die Frühlingszeit wieder und wieder üben.”

“Es war ein schlafender schwarzer Panther, der sogleich erwachte, den Kopf hob, Tracy voll anstarrte, aufstand, knurrte, wie schwarze Panther eben knurren - es klang ungefähr wie ähjeii-, zur Ecke des Käfigs schlich, einen Augenblick stehen blieb, Tracy musterte und dann zurückschritt zu dem Platz, wo er geschlafen hatte. Dort ließ er sich wieder nieder und blickte weit hinaus in die Unendlichkeit, so viel Meilen und Jahre hinaus in die Unendlichkeit, wie die Unendlichkeit Meilen und Jahre zählt.”

“Aber das war noch nicht alles. Als Dritter im Bunde war da plötzlich ein Kater aufgetaucht, riesengroß wie ein Eber, rußschwarz, rabenschwarz, mit verwegenem Kavalleristenschnurrbart. Die drei bogen in die Patriarchengasse ein, der Kater auf den Hinterbeinen.”

Es begann also alles irgendwo zwischen diesen Worten; so kam die Katze zu mir. Erst einmal aber musste ich sie noch bauen. Es war ein Vorhaben, das mich bald so sehr in Anspruch nahm, dass andere Vorhaben, die eigentlich mal dringend waren, über viele Monate liegen blieben. Sie hatte dann irgendwie die Beine von André, den ich vor Beginn an an der Arbeit kennengelernt hatte. Wahrscheinlich ist das Zufall.
Als die Beine fertig waren, fiel mir ein, dass es in dem Buch Der Meister und Margarita eine menschengroße Katze gibt, die auf den Hinterbeinen läuft und in einem Dreiergespann mit dem Teufel auftritt. Wo sie aufkreuzen, stiften sie Verblendung und Chaos. Ich hatte André des Öfteren im Verdacht, im Bund mit dem Teufel zu stehen, aber er sagte mir, er wüßte nichts von einem solchenPakt und wie ich darauf käme?
Ich konnte es auch nicht genau bezeichnen. Vielleicht lag es daran, dass André auch im Moskau der 20er Jahre zu leben schien, da wo dieser Teufelskater Verwirrung stiftete oder zumindest Verbin-dungen nach dort haben mußte. Wer oder was auch immer der Teufel ist, ich glaube jeder von uns kommt mit ihm auf irgendeine Weise in Berührung.
Louise, eine Bekannte aus Frankreich hatte mir einen langen Löffel geschnitzt, nachdem ich ihr von dem Teufelsgespann aus dem “Meister” erzählt habe. Denn in Frankreich gibt es das Sprichwort:
“Wer mit dem Teufel zu Mittag ißt, braucht einen langen Löffel.” Ich weiß noch nicht, wie
ich ihn anwenden muss, aber es ist gut, einen zu haben.

Ist der Teufel eigentlich schlau oder dumm? Und würde er solche Kategorien überhaupt anwenden?
Ist der Teufel eher ein Mensch oder eher ein Tier? Wär er ein Tier würde er sie nicht brauchen oder
gebrauchen. Vielleicht braucht der Mensch im Gegensatz zum Tier solche Kategorien, weil er sich
nicht auf seinen Instinkt verlässt.
Im Dschungelbuch wird Baghira, der Panther als gutmütig und weise, der Tiger aber als unheilvoll
und voller Dummheit dargestellt. Beide sind wilde Tiere, die ihren Instinkt gebrauchen. Warum wird ihnen Dummheit oder Schläue zugeschrieben?

Mowgli, der Junge aus dem Dschungelbuch, ist, ein Anachronismus aus den Anfängen der Ge-
schichte der Menschheit, wie der Wildhüter ihn nennt, -vermutlich älter als der Teufel-, der den Tieren näher steht als den Menschen, sie verstehen kann und ihren Instinkt teilt, dagegen die Menschen verachtet und belacht, so lange bis er zum ersten Mal im Leben starke Schmerzen im Leib verspürt, die er nicht kennt, die Sehnsucht, die ihn schließlich zu den Menschen zieht. Er verlässt die Dschungel und seine Kinder waren jene Men-schen, die große Städte bauten und die es ins Moskau der 20er und ins New York der 30er Jahre zog, wie diesen Jungen Mann, dessen Ge-schichte William Saroyan erzählt.

Tracy hat einen Panther bei sich, der immer das in ihm anspricht oder spiegelt, was ihm Kraft gibt. Er nennt ihn aber Tiger, weil das Wort ihm als Kind magisch erschien. Keiner außer ihm kann den Tiger sehen, aber die beiden sind immer zusammen und der Tiger hilft ihm in der fordernden großen Stadt, selbst fordernd und selbstbewußt zu sein. Manchmal bleibt der Tiger auf den Straßen New Yorks stehen, wirkt traurig
oder starrt ins Unendliche. Als Tracy einer jungen Frau begegnet und sich in sie verliebt, wird der Tiger ganz aufmerksam. Aber Tracy vermasselt die Geschichte und ist sehr unglücklich darüber. Als er seinen Tiger im Wirrwarr der Stadt verloren hat, und auf der Suche nach dem Mädchen in einer psychiatrischen Anstalt landet, haben da alle Bewohner einen Tiger bei sich, aber sie sind alle ausgemergelt und kraftlos. Die Geschichte findet ihre Auflösung darin, dass der Tiger die Liebe ist. Die Liebe als Raubtier, als das Wilde und Ungezähmte im Menschen. Die Teile meiner Katze waren längst gebrannt und zusammenge baut, als ich diese Geschichte las, und es stand nicht in meiner Absicht, die Plastik als Sinnbild für die Liebe oder als Teufelsgehilfen oder irgendetwas stehen zu lassen. Ich erzähle diese Beispiele, weil sie mich während
der Arbeit daran erinnert haben, wie Tiere als Sinnbilder für unsere menschlichen Kräfte und Sehn-
süchte wirken. Je weiter man die Kunstgeschichte zurückverfolgt, desto vielfältiger werden die Tier-
darstellungen, denn desto enger waren die Menschen mit ihnen verbunden. Bevor wir anstoßen
wollen auf die Fähigkeiten, die in uns schlafen, Dummheit und Klugheit, Wildheit und Gezähmt-
sein und alle Widersprüche, die uns zur Liebe befähigen, möchte ich mich bei allen bedanken, ohne die
es nicht möglich gewesen wäre, die Arbeit fertigzustellen: bei Judith für ihre beständige Ermutigung, Philipp König und Moreen Vogel für ihre tatkräftige Hilfe und André für seinen Beistand und die tollen Fotos. Dank an Raul Donner, Sara Klamand, Marie Perglerova, AronRauschhardt, Johann Winkelmann,
Willi Klotzek, Thomas Korn, Max Stocklosa, Mario Margani, Marcel Schellhorn, Kevin Kemter, Marie
Capesius, Konrad Mühe, Florian Goldmann, Lukas Juretko, David Polzin und David Kunold.

Zitate am Anfang:
William Saroyan, Tracys Tiger, Zürich 1953
Rudyard Kipling, Das Neue Dschungelbuch, Leipzig 1977
Michail Bulgakow, Der Meister und Margarita, Berlin 1975